Schmunzeln und Kopfschütteln müssen wir immer wieder, wenn wir die Duschvorrichtung in unserem Hotelzimmer betrachten. Ein riesiger Duschkopf ist über der Badewanne angebracht. Ein Duschvorhang soll wohl das Duschwasser abhalten, hört jedoch etwa zwanzig Zentimeter über dem Wannenrand auf und ist auch ausserhalb angebracht, sodass der gesamte Boden innerhalb kürzester Zeit unter Wasser steht. Und das ist garantiert im gesamten Hotel so😳. Wer war wohl dafür zuständig? Es muss ein Mensch gewesen sein, der Pech beim Denken hatte.
So, heute soll also unser erster richtiger Sightseeingtag sein, wir sind schon sehr gespannt. Pünktlich um neun stehen wir am Hoteleingang, Satnam und das Auto stehen schon da und gleich drauf kommt unser heutiger Führer Hukan. Ein smarter junger Mann, der uns auf deutsch begrüsst. Er wollte schon immer Reiseleiter werden und auf anraten seines Vaters hat er sich für die deutsche Sprache entschieden. Zu Beginn müssen wir ein wenig aufpassen und uns auf seine Art der Aussprache gewöhnen. Gebiete bedeuten Gebete und zum Fluss Ganges sagt er Ginga, was erstmal zu Erstaunen führt, weil wir sagen, dass wir noch nie was von einem Ginga gehört hätten. Aber diese Verwechslungen sind schnell ausgeräumt und so reihen wir uns wieder in die Autoschlange des Vorabends ein. Es ist nicht besser geworden über Nacht und wir verstehen echt nicht, warum unser Hotel so weit außerhalb ist, dass wir jedes mal mindestens eine Stunde fahren müssen, bis wir da sind, wo wir hin wollen. Naja, unterwegs unterhalten wir uns rege und natürlich kommen wir wieder aufs Thema heiraten oder besser verheiratet werden, wie es hier immer noch der Fall ist. Bedingung ist, dass man jemand aus seiner Kaste heiratet und die Eltern suchen die Frau aus. Mit verschmitztem Lächeln meinte Hukan, Gott sei Dank gäbe es Facebook, so könne man doch ein wenig kommunizieren und sich kennenlernen und den Eltern dann aus deren Auswahl einen Tipp geben. Beide Eltern treffen sich dann und handeln die Modalitäten aus und dann wird der Termin der Hochzeit festgelegt. Für uns ist diese Vorstellung immer noch ziemlich krass, Lucas und Julian hätten uns den Vogel gezeigt und ganz ehrlich, ich hätte diese Aufgabe nicht gerne übernommen. Hukan meinte noch, eine Liebesheirat gäbe es vielleicht zu zwei Prozent, der Rest ist arrangiert.
Wofür mir auch das Verständnis fehlt, ist das Kastendenken und es ist ja nicht nur ein Denken, sondern noch immer Realität. Wenn du eben in die Kaste der Unberührbaren hineingeboren wirst, bleibst du da auch, keine Chance aufzusteigen. Diese Realität entspricht für mich nicht dem Grundgedanken, der uns gestern in dem Sikhtempel erklärt wurde, dass nämlich alle Menschen gleich sind. Hukan meinte, na man brauche doch Leute, die den Müll wegräumen und die Kanäle säubern, das wollten doch die Geschäftsleute und Gelehrten nicht machen😟😳….oh je, ich maße mir nicht an, das richtig oder falsch zu finden, aber umso dankbarer bin ich, dass ich damit in meiner Lebensrealität nicht konfrontiert bin. Ein Gutes hat das alles, ich werde wieder demütiger und dankbarer für mein Leben!
Rechts und links der Straße ziehen Müllhalden an uns vorbei. Dort leben die ziemlich dicken Schweine, die sich von eben diesem Müll ernähren und nie geschlachtet werden. Dazwischen noch einige Kühe. Die meisten meint Hukan, wären in von der Regierung gebauten Ställen untergebracht, damit sie weg von der Straße sind……..Achim und ich haben uns nur angeschaut…..und erinnern uns an eine furchtbare Reportage über Ledergewinnung von indischen Kühen, die nach Pakistan verfrachtet und dort unter Umständen geschlachtet werden, die man wirklich kaum ertragen kann.
Ja, es gibt wirklich sehr viele Kontraste in diesem Land, trotz alledem fasziniert uns beide diese Welt sehr.
Wir besichtigen die größte Moschee Indiens, der Jama Masjid, die im 17. Jahrhundert gebaut wurde. Karin muss sich wieder mal etwas einmümmeln, um Zutritt zu bekommen. Einer der Aufpasser fragt, ob wir ein Foto von uns beiden möchten und verlangt prompt ein Trinkgeld. Als ich ihm 100 Rupies gebe, ist er nicht zufrieden und meint es waren 2 Personen, also doppelter Preis. Ich wimmle ihn ab, 200 Rupies bekommt ein Rikschafahrer, der uns eine Stunde durch das Chaos von Alt-Delhi fährt. Mit 100 Rupies ist er also mehr als gut bedient. Auf dem Platz vor der Moschee versammeln sich zum Freitagsgebet regelmässig 20000 Gläubige. Auf den Kuppeln sind „Antennen“ aus Metall, die dazu dienen die positive Energie aus dem Himmel in die Moschee zu den Gläubigen zu leiten (sagt jedenfalls unser Guide). Der grüne Fleck im Vordergrund ist übrigens Mümmel-Karin.
Dann fahren wir wieder mal mit einer Fahrradrikscha ins Getümmel. Endlich können wir dann zu Fuß die versprochenen Gewürzläden besuchen….denken wir….also wir können schon, aber Urkan lotst uns sofort in einen von ihm auserwählten laden, in dem sich nur Touristen tummeln. Anscheinend kauft auch Herr Schubeck, der Sternekoch aus München hier ein, die Preise sind entsprechend und der Verkäufer möchte mir gerne allerlei Gewürze und Tee andrehen. Ich entscheide mich für eine kleine Packung Darjeeling first flush, da kann man nix falsch machen. Dann gehts weiter durch kleine Gassen, es herrscht ein irrer Betrieb, Karren voller Waren werden gezogen, teilweise mit einem irren Gewicht und Ausladung, aber irgendwie kommen doch alle umeinander rum. Uns gefällts gut, aber Hukan ist nicht glücklich, er will uns schnell wieder hier raus haben. Also fügen wir uns wieder mal und der Rikschafahrer bringt uns wieder zum Auto zurück, wo Satnam auf uns wartet. Ein paar Impressionen seht ihr unten. Die Verteilung des elektrischen Strom ist schon legendär, scheint aber zu funktionieren. Die Chillies sind so scharf, dass einem schon die Nase kitzelt, wenn man nur neben dem Laden steht.
Nächster Stopp ist die Mahatma Gandhi Verbrennungsstätte. Wieder Schuhe ausziehen, dann dürfen wir das Grabmal und die Gedenkstätte besichtigen. Wir sind fast alleine, doch ein paar Minuten später, als wir schon auf dem Rückweg sind, kommen uns Massen von Schulklassen entgegen. Einmal im Monat gibt es wohl einen Ausflugstag, an dem die Lehrer mit ihren Schülern solche Sehenswürdigkeiten besichtigen gehen. Für Indien ist diese Stätte ein ungemein wichtiger Ort. Nicht nur Gandhi, sondern auch der erste Premierminister Indiens Nehru, dessen Tochter Indira Gandhi und ihre Söhne wurden hier eingeäschert. Ihre Asche wurde anschliessend über den Fluss Ganges verteilt.
Nach dem Glauben der Hindus kommt der als Milchstraße am Himmel fließenden Ganga mit Hilfe des Gottes Shiva auf die Erde. Da die herabstürzenden Wassermassen die Erde zerschmettert hätten, bremste der Gott den Aufprall mit seinen Haaren und ließ den Schwall über seine langen Flechten in sieben Strömen auf die Erde laufen. Indien besitzt seitdem sieben heilige Flüsse. Die Ganga ist der heiligste dieser Flüsse.
Durch die Verbrennung wird die unsterbliche Seele freigesetzt, vom Wasser des Ganges von seinen Sünden befreit und sie kommt direkt in den Himmel (Nirwana). Eingeäschert werden übrigens nicht alle Personen. Die Unberührbaren, Sadhus (Bettelmönche), Kranke, Kinder unter 5 Jahren und schwangere Frauen werden nicht eingeäschert, sondern begraben oder ihre Leiche wird unverbrannt im Ganges versenkt.
Jede Inderin und jeder Inder wird bei seiner Geburt in eine Kaste hineingeboren. Die vielen tausend Kasten (Jati) in Indien können den vier traditionellen Bevölkerungsschichten (Varna) zugeordnet werden. Die ersten drei – Brahmanen (Priester), Kschatriya (Krieger) und Vaischya (Händler) – gelten als Elite. Die Schudra waren traditionell Handwerker und Diener. Es existiert außerdem noch eine weitere Gruppe, die im Westen als „Unberührbare“ bekannten Kastenlosen, die heute Dalits genannt werden. Sie wohnen am Rand der Dörfer und führen traditionell die als extrem unrein geltenden Arbeiten durch.
Nach hinduistischem Glauben besteht der Mensch aus den fünf Elementen Feuer, Wasser, Luft, Erde und Raum. Wenn man mit den Händen isst, wie es in Indien üblich ist, stellen die 5 Finger diese Elemente dar. Wir erwiderten scherzhaft, dass die Gabel in Europa nur 4 Zinken hat, weil Feuer im Haus verboten sei.
Weiter geht es zu Humayun’s Mausoleum, das 1562-1570 erbaut wurde. Das Gebäude wird auch als Taj Mahal II bezeichnet. Das Mausoleum aus der Mogulzeit erhebt sich inmitten einer von schmalen Wasserkanälen versehenen und somit auf den im Koran beschriebenen Paradiesgarten verweisenden, geometrisch angelegten Parkanlage – der ersten dieser Art in Indien.
Inzwischen ist es schon halb drei und Hukan möchte uns noch das Indian Gate, Regierungsgebäude und einen Markt, wo Schals und Stoffe gefertigt und verkauft werden, zeigen. Er ist sehr enttäuscht, dass wir das alles nicht sehen oder besuchen möchten (alles rund um diese Attraktionen ist auch weiträumig abgesperrt, da Übungen für die Militärparade am 26. Januar (Nationalfeiertag) stattfinden. Wir konnten beim Vorbeifahren einen kurzen Blick auf die Parade werfen. Er akzeptiert dann aber unsere Entscheidung, ins Hotel zurück zu fahren. Wir haben genug für heute, haben ja auch noch wieder zwei Stunden Staufahrt vor uns und wollen noch ein wenig Blog schreiben. Nach kurzer Zeit sagt Hukan uns good bye und mit einem dicken Trinkgeld in der Tasche verlässt er uns. Glücklicherweise dauert die Fahrt doch nicht so lange und wir haben noch gemütlich Zeit zum Schreiben und Lesen und Abendessen.
Wir sind beide froh, morgen aus Delhi rauszukommen und diesem Verkehrs-und Lebenschaos (vielleicht) zu entfliehen. Mal sehen….