2023EuropaTschechien

12. Juli 2023 – Sturm, Rožmberk, Hluboká, Telč

Als wir gestern abend schlafen gingen, diskutierten wir noch, ob wir die Markise ausgefahren lassen. Es war ein schöner Sommerabend ohne Wolken am Himmel mit einem tollen Sonnenuntergang über dem See. Wir entschieden die Markise reinzufahren und alles rund ums Auto einzupacken. Nur einen Stuhl, den Tisch und die Fahrräder liessen wir stehen. Morgens um kurz nach 2 Uhr wurde ich von einer Sturmböe wach, die das ganze Auto beben liess. Ich hörte Karin, die im Hochdach schlief, alles zusammenpacken und schon kam sie die Leiter herunter. Wir versuchten sofort das Hochdach herunterzuziehen, aber der Windwiderstand war einfach zu stark. Als der Wind kurz etwas abnahm, reichte unsere Kraft, um das Dach zu schließen. Wir sahen krasse Blitze, die aber weit entfernt waren – man konnte keinen Donner hören. Der Wind pfiff unentwegt über das ganze Gelände und unsere Nachbarn nebenan versuchten noch ihr Zelt zu retten, aber umsonst. Wider Erwarten blieb unser Tisch stehen und selbst die Fahrräder fielen nicht um. Am Uferrand ging krachend ein grosser Ast zu Boden. Der Sturm schüttelte unser Auto mehr als eine Stunde, zwischendurch regnete es auch noch heftig. An Schlafen war während dieser Zeit nicht zu denken. 

Am nächsten Morgen war Schadensaufnahme. Unser Nachbar legte den Inhalt seines zerfetzten Zelts zum Trocknen auf und ringsum hörte man Heringe einschlagen, um Markisen wieder aufzustellen. Nach dem Frühstück verliessen wir den Camping Richtung im SchlosshofRožmberk. Das Navi führte uns auf schmalen Sträßchen durch Waldgebiete, immer wieder lagen umgefallene zersägte Bäume am Wegrand und der Strassenbelag war übersät mit kleinen herabgefallenen Ästen und Laub. Es gab Abschnitte, in denen der Sturm noch heftiger gewütet haben muss, als bei uns. Aber die Strasse war frei und wir kamen problemlos in Rožmberk (dt. Rosenberg) an. Rosenberg wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründet und ist eng verbunden mit dem gleichnamigen Geschlecht der Rosenberger. Die Stadt liegt nur 10 km von der österreichischen Grenze entfernt im Tal der Moldau. Über der Stadt thront das Schloss. Wir finden sofort die Auffahrt zum Schlossberg und parken am Eingang der Strasse, die zum Schloss führt. Nach etwa 150 m Fussweg sind wir an der Zugbrücke. Das Schloss darf nur im Rahmen einer Führung besichtigt werden, die leider nur auf tschechisch angeboten wird. Wir bekamen den Ausdruck der Führung in deutsch und warten ca 15 Minuten, bis die Führung beginnt. Dank des Ausdrucks konnten wir die Erläuterungen gut mitverfolgen. Der Zugang zum Schlosshof ist mit Holz gepflastert, sieht gut aus. Im Schloss durfte nicht fotographiert werden, was aber niemanden sonderlich interessierte. Daher erlaubten wir uns auch ein paar Bilder des sehr schönen Inventars und der unglaublichen Wände und Decken. Wer Lust hat kann die Geschichte des Schlosses in Wikipedia nachlesen.

Nach der Schlossbesichtigung fahren wir entlang der Moldau zurück nach Krumau. Am Ufer sind oft Zeltcamps, bei denen man Boote mieten kann, um auf der Moldau Richtung oder sogar bis Krumau zu paddeln. Der Fluss ist nicht sehr tief und man muss mehrere der Rutschen benutzen, die wir in Krumau fotographiert haben. Aber es scheint ein beliebtes Freizeitvergnügen zu sein. Jedenfalls haben wir viele Boote beobachten können. Von Krumau ging es an Budwei vorbei zum Schloss Hluboká (dt Schloss Frauenberg), dem Märchenschloss Tschechiens. Wir fanden schnell einen Parkplatz und wanderten zu Fuss den Berg hoch. Die Fassade des Schlosses ist schon verwunderlich. Auch hier ist die Besichtigung nur mit Führer möglich. Nach 5 Minuten Warten bekamen wir quasi eine Privatführung in deutsch, denn ausser uns war an diesem Termin nur eine weitere Familie dabei. Das Schloss gehört seit Ewigkeiten dem Geschlecht Schwarzenberg. Auf dem Anwesen stand zunächst eine frühgotische Burg aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts wurden die alten Gebäude abgetragen und an deren Stelle dieses malerische Schloss im Tudorgotikstil errichtet. Vorbild war Schloss Windsor, das der Fürst besichtigt hatte. Fürst Adolph Schwarzenberg wurde 1939 von den deutschen Besatzern enteignet, da er ein entschiedener Gegner des Nazi-Regimes war. ER floh in die USA und erhielt seinen Besitz in der dritten tschechoslowakischen Republik 1945 zurück. 1947 wurde er mit der Lex Schwarzenberg von den Kommunisten enteignet. Dieses ausschliesslich gegen ihn gerichtete Gesetz überführte seinen tschechoslowakischen Besitz ohne Entschädigung in Staatseigentum. Das Schloss wurde durch eine Warmluftheizung vom Keller aus geheizt und wurde bereits 1910 mit Strom versorgt, der von einem eigenen Wasserkraftwerk erzeugt wurde. Decken, Wände und Mobiliar waren natürlich nur vom Feinsten. In einer Ecke stand ein Staubsauger, der Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurde. Er wurde von der Firma S. Mestitz & Sohn aus Raudnitz im ehemaligen Böhmen gefertigt und musste von zwei Personen angetrieben werden – einer bediente das seitliche Antriebsrad, der andere übernahm das Saugen.

Nach der Besichtigung fahren wir weiter zum 94 km entfernt liegenden Telč (dt. Teltsch), das in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen wurde. In Telč gibt es leider keinen Camping, sondern nur einen Stellplatz auf einem Parkplatz (P1) neben einer Tankstelle. Aber man kann für 200 Kronen ein 24 Stunden Parkticket lösen und hier übernachten. Bevor wir den Marktplatz besuchen, gehen wir im Hotel Anton, das neben unserem Parkplatz liegt, essen. In Tschechien muss man abends frühzeitig ins Restaurant, denn um 20 Uhr ist meist Zapfenstreich. Um ca 19.30 Uhr erreichen wir den Marktplatz. Es sind kaum Leute auf dem Platz und auch die Cafés und Restaurant sind nur dürftig besetzt. Telč ist es irgendwie gelungen, allen Zerstörungen der letzten Jahrhunderte zu entkommen. 30-jähriger Krieg, Weltkriege, kommunistische Städteplanung und Massentourismus sind an der Stadt fast spurlos vorüber gegangen. Der Marktplatz ist ein langgezogenes Viereck, rundum gesäumt von Fassaden.

Da es um 21.30 Uhr immer noch recht warm ist, sitzen wir neben dem Bus und ich schreibe diesen Blog. Ein Schwarm Juni-Käfer (oder so was ähnliches) summt um uns herum und ein schönes Abendrot beendet den Tag.

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