
4. – 7. April 1976 – Fahrt nach Marokko
Diese Reisebeschreibung basiert auf einem Tagebuch, das ich während der Reise geschrieben habe. Die Beiträge wurden im Mai 2021 geschrieben, nachdem ich das Tagebuch zufällig wiedergefunden habe. Die Fotos waren ursprünglich Diapositive, die ich 45 Jahre nach der Reise gescannt habe. Hartmut und ich waren Zivildienstleistende bei Deutschen Roten Kreuz in Nürtingen. Nach vielen gemeinsamen Diensten kam die Idee eines Urlaubs in Marokko, den wir nach dem Zivildienst, finanziert durch das Entlassungsgeld, unternehmen wollten. Manfred war ein guter Freund von Hartmut und hatte sich spontan entschlossen mitzufahren. Zusammen hatten wir uns einen gebrauchten VW Bus mit Klapptüren (einen T1 !!) gekauft und Manfred hatte ihn für die Reise ausgerüstet.
4. April 1976 – Abfahrt war um 10:00 Uhr in Nürtingen. Wir fuhren erst nach Lyon, wollten dort zwei französische Freundinnen besuchen, die ich während eines Schüleraustauschs kennengelernt hatte. Leider waren beide nicht zu Hause. So übernachten wir vor ihrem Haus im Bus.
5. April 1976 – Frühstück im Café des Ravins in Rillieux-la-Pape. Wir mussten zunächst zur Werkstatt, weil der Motor Öl verlor. Mittagessen im Auto mit Baguette, Schinkenwurst, Gurken und Croissants. Dann starteten wir Richtung Perpignan. Abends hatten wir in einem kleinen Restaurant Hase gegessen und schliefen in Argelès neben dem Camping Roussillonnais.
6. April 1976 – An der spanischen Grenze wurden wir gefilzt. Nachdem wir eine Zigarette anboten, ging alles schneller – der Zöllner wollte nur eine Marlboro rauchen. Wir nahmen die Autobahn nach Tarragona. Dort stiegen zwei italienische Tramper bis Elche zu. Die Autobahn ging weiter bis Valencia. Sind die ganze Nacht durchgefahren. Die Italiener stiegen morgens um 1:30 Uhr in Elche aus, sie mussten bis 18. April auf einen Freund warten. Um 6:00 Uhr übernahm ich das Steuer – 7:30 Uhr sahen wir den Sonnenaufgang in Granada. Um 14:00 Uhr kamen wir in Algeciras an. Die Fähre ging erst um 18:00 Uhr. So bliebt genug Zeit, um Tintenfisch zu essen und in einem Café einen Anislikör zu trinken. Als wir in den Hafen einfuhren, stand am Zoll ein Typ, der uns fragte, ob wir schon ein Ticket hätten. Wir verneinten, also besorgte uns der Typ Tickets. Wir gaben ihm den Fahrzeugschein und während wir parkten, ging er in ein Reisebüro und kaufte die Tickets. Natürlich verlangte er „Gebühren“ und wir zahlten 200 Peseten für seine Dienste ! Die Überfahrt nach Ceuta dauerte etwas mehr als 1 Stunde. In Ceuta kostete Benzin nur 17,7 Peseten, in Spanien dagegen 26 Peseten. Also Volltanken vor der Grenze nach Marokko.
Dann kamen wir zur Grenze nach Marokko. In Spanien mussten wir noch rechts rausfahren, einen Zettel mit Autonummer, Personenzahl und Pass stempeln lassen. Neben dem Schalter stand ein Typ, der uns Geld zum angeblich offiziellen Kurs wechseln wollte. Wir waren ziemlich nervös und wussten nicht, wie wir uns verhalten sollten. Das muss ein anderer Typ bemerkt haben. Er kam und half uns durch die marokkanische Grenze. Erstens – Zettel mit Personalien ausfüllen. Zweitens – mit den Reisepässen zu einem Wagen, in dem die Pässe geprüft und gestempelt wurden. Drittens – Geld wechseln und Haftpflichtversicherung für das Auto für einen Monat abschließen (circa 60 DM). Als Ausländer bekamen wir Benzingutscheine, deren Einlösung wir auf einer speziellen Karte eintragen mussten. Der Typ, der uns begleitete, hat dauernd mit uns gequatscht und uns irgendwelche Ratschläge gegeben. Dann kam die Zollkontrolle. Wir wurden nach Waffen gefragt, dann noch eine Polizeikontrolle, wieder die Frage nach Waffen. Der Inhalt unseres VW Busses wird gründlich inspiziert. Man fragte uns nach Zeitungen, wohl weil die Zöllner und Polizisten Nacktbilder oder Pornos suchten, deren Einfuhr verboten war. Sie fanden lediglich 3 Stangen Marlboro, die wir in Ceuta gekauft hatten und teilten uns freudestrahlend mit, dass sie eine Stange für sich behalten. Zuletzt verlangte auch noch der Schlepper als Lohn Zigaretten und zusätzlich 10 Dirham als Entlohnung. Wir bezahlten ohne lange zu diskutieren und waren froh den Typen los und durch die Grenze gekommen zu sein. Unterwegs regten wir uns über die Behandlung durch die Zöllner auf. Dass wir uns zwei Mal hintereinander ausnehmen liessen, beschäftigte uns ziemlich und wir waren ziemlich sauer.
Nach der Grenze ging die Fahrt weiter über Tetuan nach Tanger, eine Strecke von ca 100 km, alles Landstrasse. Als wir kurz anhielten, sprang der Motor nicht mehr an. Manfred fand zwar schnell die Ursache – eine Sicherung war verrutscht, aber als Hartmut den Bus verliess, kamen gerade zwei Marokkaner vorbei und fragten freundlich, ob sie uns helfen könnten und ob wir Haschisch kaufen wollten. Hartmuts Nerven lagen nach den Erfahrungen an der Grenze blank und so schrie er die beiden an, sie sollten bloß verschwinden. Immer wieder rannten Kinder auf die Straße und es wurde langsam dunkel. Wir fanden uns in einer komplett anderen Welt wieder. Keine Straßenbeleuchtung in den Dörfern, die Menschen trugen dunkle Dschelabas, so dass sie in der Dunkelheit kaum zu sehen waren. Alle Männer hatten lange silberfunkelnde Messer an einem Gürtel hängen und die meisten Frauen trugen einen Schleier. Für uns war dieser Tag ein echter Kulturschock. In Tanger fuhren wir auf den Camping Tingis und trafen dort die Münchner wieder, die wir auf der Fähre kennengelernt hatten. Hartmut und Manfred schliefen im Zelt, ich im Bus. Immerhin hatten wir den ganzen Tag strahlenden Sonnenschein.
7. April 1976 – Der Kulturschock hielt an. Keiner von uns verspürte Lust den Campingplatz zu verlassen. Wir wollten erst einmal nur ausruhen und uns von der langen Anreise erholen.