19. Januar 2018 – Fahrt nach Alsisar
Pünktlich um neun verlassen wir das Hotel, Gepäck rein ins Auto und los gehts durch Smog und Nebel, der so dicht ist, dass man die Rücklichter des Vordermanns kaum mehr erkennen kann. Smog hat uns in ganz Delhi immer begleitet.
Nach eineinhalb Stunden stopp and go und völlig chaotischem Verkehr durch den sich Satnam mit stoischer Ruhe und großem Geschick durchschlängelt, erreichen wir den Randbezirk von Delhi und kommen auf eine 15!!! spurige Autobahn, die den Verkehr in die diversen Vororte leitet. Wir fahren teilweise mit 70 Stundenkilometern, das hatten wir noch nie, seit wir hier sind und trotzdem halten Busse manchmal einfach an und lassen Leute aus oder einsteigen. Manch einer testet auch sein Karma und versucht die Straße zu überqueren und meistens geht es sogar gut. Ich habe noch keinen Unfall hier gesehen, alles gleitet irgendwie ineinander, in Deutschland hätte es schon x Massenschlägereien wegen Reindrängelns gegeben. Inzwischen kommt sogar die Sonne ein wenig durch und man kann blauen Himmel hinter dem Smog erahnen. Die Gegend neben der Autobahn ist besiedelt mit architektonisch aussergewöhnlichen Hochhäusern. Die Namen Cypercity, Technopark usw. lassen erahnen, dass es sich um Büros handelt. Auch viele grosse Hotels sind hier angesiedelt. Satnam erzählt, dass auch Appartmenthäuser darunter sind, ziemlich teure Wohnungen. Überall werden neue Hochhäuser gebaut. Die Gegend wird in wenigen Jahren völlig anders aussehen.
Erst nach zwei bis drei Stunden wird es ländlicher, überall blüht der Raps auf unendlich grossen Feldern und wir kommen durch kleinere Städte. Überall ist Markt und reger Betrieb.
Etwa 100 km von Alsisar entfernt, unterhalb des Monkey Tempels machen wir Halt um diverse Bedürfnisse zu befriedigen. Für schlappe 20 Rupien kann ich eine super Toilette besuchen, danach wieder Cola nachfüllen UND Uschis so sehnlich gewünschte Postkarte kaufen und schreiben.
Die Straße ist immer mehr von Kamelgefährten bevölkert, zu Beginn sind wir noch ganz aufgeregt, fotographieren aus dem Auto raus, aber bald kommen immer mehr und wir halten mal und und schiessen ein paar gute Fotos.
Zunehmend wird die Landschaft schöner, erinnert ein wenig an Wüste. Rechts und links der Straße sind die Ziegelbauer am Werk. Eine wahnsinns Arbeit, jeder Ziegel von Hand geformt, in Reih und Glied aufgestapelt, um danach in riesigen Turmöfen gebrannt zu werden.
Traktoren mit riesigen, ballonartigen Aufbauten beanspruchen den größten Teil der Straße, sie sind gefüllt mit Futter für die Kamele und Kühe, ich vermute, es ist eine Art Silage.
Satnam muss irgendwann sogar nach dem Weg fragen, ich glaube, auch er kann die Schrift auf den Hinweisschildern nicht lesen, es ist fast nichts mehr lateinisch geschrieben. Offenbar befinden wir uns wirklich ziemlich ausserhalb. Der Verkehr hat sich auch ziemlich beruhigt, dafür ist die Straße viel schlechter geworden. Satnam muss extrem vorsichtig fahren, was er auch super macht, tiefe Löcher müssen um- oder durchfahren werden und jetzt sieht man auch einige tote Tiere, vor allem Hunde, am Strassenrand liegen. Mitten auf einem Dorfplatz hat ein Mann seine riesige Herde Ziegen zusammengetrieben und gerade gegenüber bringt eine Ziege schreiend ihr Junges zur Welt. Es ist echt was los hier.
Inzwischen sind wir siebeneinhalb Stunden unterwegs. Ein letztes Mal nach dem Weg fragen und den fuchtelnden Anweisungen des Mannes folgen, wir sind echt im Output. Enge Gassen, Kurven, Tiere, Lehmhäuser, ich komme mir fast vor wie in Madagaskar. Oje, wo sind wir hier nur gelandet. Dann kommt die Einfahrt zu unserem „Hotel“, von vorne sieht es nicht sehr spektakulär aus, aber der Schein trügt. Wir werden mit einem Begrüssungstrunk (ein Gläschen Cola😎😁) in Empfang genommen und in eine Halle geführt. Pass abgeben und dann umschauen…..wow….wir können es gar nicht fassen, wo wir hier gelandet sind. Das Hotel ist ein haveli, im Quadrat gebaut, im Innenhof ein Pool und Liegen, super gepflegter Garten UND: wir sind die einzigen Gäste!!
Als Haveli werden die palastartig ausgestalteten Wohnhäuser wohlhabender – meist muslimischer – Fernhändler im Norden Indiens und in Pakistan bezeichnet. Der Name stammt aus dem Arabischen und bedeutet so viel wie „umbauter Platz“. Die Havelis von Rajasthan gehören zu den kulturhistorisch bedeutsamsten Wahrzeichen. Unser Haveli und all die anderen Havelis, die sich in dem kleinen Ort befinden, gehören alle einem Mann, der in Kalkutta wohnt. Er hat sich schon lange nicht mehr blicken lassen.
Morgen soll allerdings eine Reisegruppe aus Deutschland kommen, aber bis dahin gehört alle Aufmerksamkeit uns. Staunend betreten wir unser Zimmer, es ist riesig und schön ausgestattet, bissle kalt halt, aber heute war es tagsüber schon viel wärmer, als die Tage davor und ich hab ja meine…ihr wisst schon😂.
Wir bestellen unser Abendessen und werden gefragt, ob wir lieber drinnen oder draußen essen möchten und da es drinnen durch die dicken Mauern kälter ist, entscheiden wir uns für Terrasse oben draußen.
Ach ja, ganz vergessen, neben der Empfangshalle hat ein „Künstler“ seinen Shop und möchte natürlich gaaarnichts verkaufen, aber er hat wirklich schöne Sachen und den Rest könnt ihr euch sicher denken😎
Die Zeit bis zum Abendessen überbrücken wir am Pool sitzend, immer noch staunend über dieses Ambiente. Bachstelzen rascheln in den Bäumen und eine kleine Eule sitzt plötzlich auf dem Dach, da muss ich natürlich gleich mein Fernglas holen. Leider ist es schon ziemlich dunkel und sie verschwindet dann auch in der Nacht.
Wir sehen schon die Vorbereitungen für unser Abendessen. Ein Tisch wird gebracht, Stühle und so begeben wir uns auf die Terrasse. Zwei Feuerschalen sorgen für Wärme und so sitzen wir wie Maharadscha und Maharani und werden mit Essen und Getränken versorgt. Es gibt vegetarische Kost, Reis Biryani, einen Curry, Chapatis und Gemüseteigröllchen, alles ganz lecker. Betreuung bedeutet hier, dass während des Essens immer 3 Bedienstete zuschauen und sofort nachschöpfen, wenn sich der Teller geleert hat oder nachschenken, wenn das Glas leer ist. Gewöhnungsbedürftig, aber das kennen wir schon von vielen anderen Reisen. Die Konversation ist ein wenig schwierig, weil die Leute eben nur ganz wenig englisch sprechen, was echt schade ist, aber so ist es nun halt mal. Immerhin können wir über ihre Familie sprechen, Kinder, Wohnort, Ausbildung, usw.
Wir geniessen diesen Abend wirklich sehr, vor allem die Ruhe und das fehlen von Gehupe, Gestank und Dreck. Zufrieden fallen wir ins (mein vorgewärmte 🌋) Bett und Achim ist in Sekunden im Land der Träume. Blog schreiben wird auf morgen vertagt. Das Bett ist zwar warm, aber superhart und ich hab versäumt, meine Isomatte drunter zu legen und so quäle ich mich die ganze Nacht von einer zur anderen Seite….ich bin halt ein Weichei, aber die nächste Nacht bin ich gewappnet!!!