2006MadagaskarMadagaskar 2006

Ankunft in Tana, Fahrt nach Moramanga

Landung in Antananarivo, kurz Tana genannt, der internationale Flughafen entpuppt sich als etwas mehr als eine Abfertigungshalle. Visum kaufen, Briefmarken im Pass und nach einem kurzem Check unserer Koffer, stehen wir in der Empfangshalle. Manfred, sein Sohn Winfried und seine beiden Stieftöchter erwarten uns. Zwischen alle den normalen Schleppern sind sie unübersehbar. Manfred haben wir über seine Webseite Madagascar-on-bike kennengelernt. Er verleiht Motorräder – auf Madagaskar sind das noch sehr seltene Verkehrsmittel. Wir haben einige Emails mit ihm gewechselt, das Motorrad gebucht, und unsere Route mit ihm abgesprochen. Er bat uns ihm einige Bücher mitzubringen, was unser Gepäck einigermaßen belastet hat.

Wir und unser Gepäck kommt auf einen Pickup und nach ein paar Minuten sind wir in Afrika angekommen. Wir kommen aus dem Staunen nicht heraus. Es geht zu einem kleinen Viertel, rechts und links Buden und Essenstände. Die Passanten – alle gekleidet in dicke Klamotten, die wohl aus Altkleidersäcken aus Europa stammen – tragen Wollmützen auf dem Kopf und Flipflops an den Füssen. Wir biegen in eine kleine Straße ein, die uns zu Manfreds Villa bringt. 

Ein großes Blechtor öffnet sich, die Villa ist von hohen Mauern umgeben, und dahinter wird gerade der Geburtstag von Manfreds Frau Josephine, gefeiert. Wir trinken ein Bier mit den anderen Gästen, überreichen unsere Mitbringsel und ein kleines Geschenk für seine Frau und irgendwann beschließen die Gäste noch in die Stadt zu fahren. Wir sind einigermaßen platt, bekommen von Manfred noch Gulasch mit Nudeln zum Abendessen, reden noch eine Weile und sinken dann gegen 22:30 Uhr ins Bett. Nachts will ich etwas Wasser in der Küche holen. Als ich das Licht einschalte, sehe ich, dass alles mit Kakerlaken bedeckt ist, die sofort in die Ritzen verschwinden. Jetzt verstehen wir, weshalb Manfred alles in dicht verschließbaren Glasbehältern aufbewahrt.

Nach dem Frühstück zeigt uns Manfred die beiden Aluminiumkoffer, die rechts und links am Motorrad angeschraubt werden. Naja, ein paar weitere Infos wären schon ganz gut gewesen, dass man die Teile nur ein- und abschrauben kann und man sie dazu auch noch halb leer machen muss. Dazu wäre es sinnvoll, alles in verschiedenen Lagen in Plastiktüten zu verpacken, die es aber nicht gibt. Also breiten wir alles was wir haben auf dem Boden aus und versuchen zu sortieren. Es ist schnell klar, dass wir das Tauchzeug nie und nimmer unterkriegen lassen, also disponieren wir um, Manfred schickt uns die Tauchsachen mit Colis Express (örtlicher Transportdienst) nach Nosy Boraha (Ile de Sainte Marie). Bin gespannt, ob sie ankommen.

Nach einem Fischfrühstück wird es ernst, Kisten füllen, zu guter Letzt doch noch ein Topcase, da wir auch noch Werkzeug und Öl mitnehmen müssen. Nix mit Rucksack. Unser ganzes Gepäck für die nächsten 3 Wochen muss in den beiden Koffern Platz finden. Also nur das Notwendigste einpacken – Medikamente, Verbandszeug, sehr wenig Kleidung, Taschenlampe, Foto, … Mir wird’s ganz mulmig, die Karre sieht furchterregend breit und schwer aus. Aber Achim tut zumindest zuversichtlich. Zur Einstimmung darf er allein hinter Manfred und mir herfahren. Am Flugplatz wechseln wir unsere Euroscheine in circa zehn Zentimeter dicke Stapel Ariary. 1000 Euro werden zu 2630 Banknoten. Eine ganze Plastiktüte voll.

Fahrt zum Flughafen
Alles Scheine zu 1000 Ariary, die die meisten Leute weder kennen noch wechseln können

Wohin damit? Wir verteilen es in sämtliche Taschen und unter die Sitzbank des Motorrads. Dann meint Manfred, wir würden noch ein wenig üben fahren, ich soll beim ihm sitzenbleiben. Ein paar Minuten später weiß ich dann auch, was „üben“ bedeutet. Fußsohlenkrämpfe wechseln sich mit mehreren Herzstillständen meinerseits ab. Es geht echt auf die Piste, Sandboden, 50 cm tiefe Schlaglöcher, Rillen in Mega Dimensionen, Kurven, Hühner, Kinder, alles was ich noch nie gesehen habe, alles auf einmal. Ab und zu seh ich Achim hinter uns her tuckern. Er macht das schon ganz gut, muss wegen des Staubs aber immer etwas Abstand halten. Fotografieren ist in dieser Situation unmöglich.

Als Manfred zum Pinkeln anhält, ergreife ich die Chance und steige um zu Achim und damit beginnt die wohl abenteuerlichste Motorradreise, die ich je erlebt habe. Na gut, ich gebe zu, ich habe noch nicht so viel erlebt, aber trotzdem. Manchmal vergess ich zu atmen vor Schiss, aber es hilft nichts, wir müssen hinterher. Es geht durch kleine Dörfer, die nur ein paar Lehmhütten gross sind. Überall stehen Menschen davor und allein schon von den Kindern könnte man 500 Portraitaufnahmen machen.

Manfred sagt zu allem „gell“ und fährt unberührt über Stock und Stein. Es ist echt beeindruckend. Die nächsten 4 Stunden verbringen wir so, nur kurz unterbrochen von einem Besuch einer königlichen Residenz, die allerdings wenig königlich aussieht und einem spektakulären „Abschläucheln“ von Benzin aus Achim’s Tank in den Tank von Manfred.

Benzin wird mit dem Mund angesaugt und in eine Plastikflasche umgefüllt

Benzin ist knapp auf dem Land. Nebenbei tätige ich mutig meinen ersten Einkauf. Zwei Bananen erstehe ich für 100 Ariary (20 Cent). Dann beginnt es zu regnen und ich befürchte schon das Schlimmste. Aber dann bricht wieder die Sonne durch. Dafür gabelt sich der Weg ohne Hinweisschild, versteht sich. Nach dem wir 10 Minuten gewartet haben und keine Menschenseele auftaucht, die wir fragen können, entscheiden wir uns für rechts, was sich auch als richtig herausstellt. Manfred meint „rechts ab ist immer richtig“. So zockeln wir etwa 80 !! km dahin, bis wir die geteerte Hauptstrasse nach Toamasina (=Tamatave) erreichen. Manfred verlässt uns dort, er fährt zurück nach Tana und wir biegen nach links, Richtung Tamatave, ab. Viele Städte auf Madagaskar haben 2 verschiedene Namen !

Ab jetzt sind wir alleine. Mit Manfred’s Abschied endet auch die Lateritpiste, geteerte breite RN2, allerdings nicht minder gefährlich, denn die entgegenkommenden Autos kommen uns meistens wirklich „entgegen“ und man muss ständig auf Schlaglöcher achten. Es geht Richtung Moramanga, übersetzt heisst das „Wo die Mangos billig sind“, aber erst kurz vor der Stadt meine ich, welche zu sehen. In Moramanga gibt es nur noch Nüsse, Maniok, Karotten, Tomaten und allerlei Gebratenes oder Gegrilltes.

Einmal durch das Städtchen gefahren, wird uns klar, dass wir zur Hotelwahl besser den Reiseführer zu Rate ziehen. Also wieder ein Stück zurück, in eine Kneipe hocken und endlich etwas trinken. Inzwischen ist es 16 Uhr. Wir suchen uns das „Nobelhotel“ Emeraude aus, mieten für 25000 Ariary ein Zimmer und dürfen das Motorrad im Innern des Hotels genau vor der Rezeption parken. Das ist ein Service.

Spartanisch eingerichtetes Zimmer, Toilette im Zimmer hinter einer Mauer

Kurzes Aus- bzw. Umpacken, dann lassen wir uns vom Chef einen Chinesen gleich um die Ecke empfehlen und gehen dort essen. Der Jasmintee schmeckt hyperchloriert, darauf werde ich ab jetzt verzichten. Das Essen ist gut und billig. Es ist inzwischen 19 Uhr und stockfinster. Wir machen uns auf den Rückweg, erstehen noch ein Pain au Chocolat, Wasser und Bier und ich kann endlich unsere Erlebnisse auf Papier bringen. Doch zuvor erschlage ich noch eine Monster-Anopheles-Malariamücke, denn ein Moskitonetz gibt es nicht !!

PS: Wieder in Deutschland lesen wir in der Zeitung, dass im folgenden Winter in Moramanga die Lungenpest ausgebrochen ist. Angesichts des Slums in Moramanga ist das kein Wunder. Wenn es regnet, müssen sich die Ratten in die „Hütten“ flüchten …

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