2009MadagaskarMadagaskar 2009

12. August 2009 – Von Antsirabe nach Miandrivazo

Die Nächte sind so hart wie die Matratzen. Ich war so oft auf und weiß nicht mehr, wie hinlegen, war geplagt von diversen Hitzewallungen und war daher schon um 6:30 Uhr wach. Hab dann noch ein bisschen gelesen und um 7:30 Uhr saßen wir frierend am Frühstück. Mein Atem gab Hauch, es war echt kalt. Nicht verwunderlich, denn Antsirabe liegt auf 1500 m Höhe. Kurz vor neun saßen wir auf dem Motorrad, ich mit dicker Regenhose, zwei Vliesjacken unter dem Anorak und Achim mit Handschuhen. Eine Frau und ein Mann wollten uns noch Edelsteine andrehen, aber wir blieben hart. Immer wieder Scheiß-Situationen.

Wir tankten voll und nahmen vorsichtshalber noch 3 Liter Benzin mit, die wir in 2 Plastik-Wasserflaschen abfüllten und hinten am Motorrad festbanden. Dann fuhren über Betafo, einem kleinen Dorf, durch zig Dörfer, die alle mit A beginnen – hab leider nicht immer die Schilder fotografiert, das wäre auch eine nette Reihe geworden – in Richtung Westen ans Meer. Die Straße war super, neu geteert und wir kamen gut voran. Die Landschaft wechselte ziemlich, manchmal fast etwas marokkanisch, weite Flächen abgebrannt, die Menschen noch mal eine Stufe ärmer und die Temperatur stieg langsam an.

Immer wieder Termitenhaufen am Wegrand und in der Landschaft
nach 134 km von Antsirabe
weite abgebrannte Flächen
Das Leben an der Strasse ist noch sehr einfach

Erst mussten wir den schwarzen Vlies ablegen, dann die Regenhose, die Handschuhe und überhaupt war es dann ganz schnell ganz heiß. Gegen 13:00 Uhr kamen wir nach 223 km Fahrt in Miandrivazo an und fuhren erst mal die Tankstelle an. Eigentlich wollten wir noch bis Malaimbandy weiterfahren, aber der Typ an der Tankstelle meinte, da gebe es kein Hotel. Der nächste Ort Morondava würde dann noch mal 5 Stunden weiter weg sein, wir wären also erst in der Dunkelheit dort. Das erschien uns dann doch sehr unvernünftig, also fragten wir nach einem Hotel und wurden durch’s Dorf rechts einen Hügel hoch ins “Hotel de la Reine Rasalino” geschickt. Glücklicherweise waren wir sehr früh am Nachmittag da und bekamen noch einen Bungalow, obwohl wir nicht vorbestellt hatten. Unser Bungalow war schon ein kleiner Abstieg, aber Ok,  Madagaskar eben ! Es gab eine Dusche und dann was zu trinken.

Auf dem Areal des Hotels gab es einige Pflanzen, die wir noch nie gesehen hatten. Aber auch eine riesigen Mangobaum und schön blühende Frangipani.

leider noch unreife Mangos

Nebenan saßen ein paar Franzosen, die für Morgen eine dreitägige Bootsfahrt auf dem Fluss Tsiribihina gebucht hatten – eine der Touristenattraktionen in diesem Teil Madagaskars. Miandrivazo ist der Ausgangspunkt für diese Bootstour und es gab eine Menge Boote, die nur auf Touristen warteten. Achim wollte das Motorrad nicht auf einen dieser Kähne verladen lassen, sondern wir wollten den Ort Belo sur Tsiribihina, die Endstation der Bootstour, auf dem Landweg erreichen.

Fluss Tsiribihina
Tsiribihina bildet ein kleines Seengebiet unterhalb von Miandrivazo

Dann endlich – mein Buch fertig lesen – aber denkste – nach 10 Minuten stand Achim wieder da mit dem glorreichen Vorschlag, doch doch eine kleine Erkundigungsrunde zu drehen. Gerade wo es spannend wurde. Na gut, das Buch läuft ja nicht davon. Also Rucksack packen und im T-Shirt und Sandalen aufs Bike. Schon verrückt, wie sich die Temperatur geändert hat, es hat jetzt mehr als 30°C. Morgen müssen wir uns leichter anziehen. Wir fahren durchs Dorf und stecken in einer Art Versammlung fest.

Als wir an der Spitze des Zuges einen weißen Sarg entdecken, wird uns klar, dass es sich um eine Beerdigung handelt. Interessant, nichts wie hinterher. Natürlich sind wir fast interessanter als der Tote, alle schauen uns zu, wie wir hinter dem Zug im Schritttempo dahinzuckeln. Plötzlich winkt eine Frau und zeigt auf den leeren Ständer für das Topcase, den wir nicht mitgenommen haben für die Rundfahrt und langsam kapiere ich, dass sie hinten drauf mitfahren will. Unter mächtigem Gejohle aller “Mitläufer” steigt sie auf und wir erklimmen den Berg hinter dem Sarg und den vielen Leuten eben zu dritt. Dabei erfahren wir, es ist keine Beerdigung, sondern eine Exhumierung, was heißt, dass der schon “Beerdigte” umgebettet wird. Irgendwann steigt unser Fahrgast wieder ab, bedankt sich und läuft den Rest. Wir stellen das Bike ab und während Achim noch mit den Zahlenschloss kämpft, dessen Nummer er sich auf gar keinen Fall merken kann (grr), folge ich schon mal der auf einen Hügel verschwindende Menge. Ich werde von netten Frauen immer weiter gewinkt, näher an das Geschehen heran. Ein jüngerer Mann gesellt sich zu Achim und stellt sich als Sohn des Verstorbenen vor. Er und diverse andere Leute geben uns ein paar Erklärungen. Also die hochgetragene, mit einem weißen Tuch umhüllte, Holzkiste ist leer. Da, wo so viele Männer in einem Kreis stehen und wild mit und ohne Schaufel gestikulieren, befindet sich die Grabstätte eines Mannes, der wohl vor zwei Jahren im Alter von 64 Jahren gestorben ist. Jetzt wird gegraben und und diskutiert und das ziemlich laut.

Zwei 10 l Liter Eimer mit Rum wandern von Anwesendem zu Anwesendem, auch zu uns ! Jeder muss was trinken. Als Achim dran kommt, wird das von den Frauen, die überall drumherum sitzen, mit lautem Johlen kommentiert. Wenn man weiss, dass Tuberkulose in Madagaskar eine Volksseuche darstellt, war der Schluck aus dem Eimer todesmutig. Einige Männern buddeln noch immer, bis sie eine Steinplatte freigeschaufelt haben. Dann liest ein scheinbar wichtiger Mann etwas vor, währenddessen etwas Ruhe einkehrt. Aber nur ein bisschen und auch nur kurz, denn dann wird es richtig spannend. Sie heben die Steinplatte an und werfen Sie nebendran, dann wird der Decke des Holzsargs abgehoben. Es gab fast Streit, wildes Gestikulieren und lautes Schreien. Manche halten eine Decke als Sichtschutz bereit und ein weiteres weißes Tuch, mit dem sie dann das Bündel Knochen herausgenommen haben. Der mitgebrachte Sarg wurde geöffnet und die Gebeine darin verstaut, zugenagelt und mit dem weißen Tuch umhüllt. Die ganze Zeit rotiert der Rum und einige der Herren hatten schon ganz schön geladen. Dann wird der Sarg in die Höhe gehoben und ein zweistimmiger Gesang angestimmt. Nach dem Lied setzt sich die Prozession wieder in Gang, zurück ins Dorf.

Voran die Fahne, dann die Kiste, die wild geschüttelt und geschwenkt wird. In unserem Fall sogar so sehr, dass einige der angetrunkenen Träger ins Straucheln kommen und samt Kiste in den Graben fallen.

Oh je, einer hat sich wohl verletzt, er bleibt liegen und wir versorgt. Der Rest berappelt sich wieder und zieht singend und tanzend die Straße runter. Auf dem Festplatz wird nun ein dreitägiges Fest zu Ehren des Toten stattfinden, bevor er dann im Familiengrab endgültig beigesetzt wird. Tja, das waren Eindrücke, außer zwei Franzosen waren wir die einzigen Vazaha’s. Wir setzen unsere Rundfahrt noch etwas fort, kehrten dann in den Bungalow zurück, unterhielten uns über das Gesehene und aßen mal wieder Steak, aber irgendwie kriegten sie das Zebu nicht zart. Dafür gab es ganz feine dünne grüne Bohnen und Pommes.

Im “Kino” läuft der Terminator und später Tarzan

Gegen später gesellen sich noch zwei deutsche Frauen zu uns, die morgen zu der dreitägigen Bootsfahrt aufbrechen. Eine der beiden hatte beim Essen im Dorf ziemliches Pech. In der Dunkelheit hatte sie nicht gesehen, dass die Mauer, auf die sie sich setzen wollte, brüchig war. Sie stürzte, das Essen in der Hand, rücklings über die Mauer und zog sich etliche Prellungen zu. Gottseidank war aber nichts gebrochen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.