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17. September 2022 – Matera

Die Nacht ging klebrig heiss weiter, alles fühlte sich irgendwie klamm an. Ich hatte oben beide Fenster mit Moskitonetz offen, aber kaum ein Lüftchen kam herein. Da heisst es still liegen und über kühle, frische Luft meditieren….aber es war ok und irgendwann schlief ich auch ein. Um 6.43 rumorte es im Wohnmobil neben uns, Geschirr klapperte, Türen gingen auf und zu, lautstarke Unterhaltung oder besser gebellte Befehle und dann starteten sie endlich und fuhren 10 m weiter an die Entleerstelle. Der Motor lief und lief, der Mann stieg aus, besah sich seelenruhig sein Womo, leerte den Abwassertank, leerte die Toilette. Mir schwoll so langsam der Hals, kann der Depp nicht seinen Motor abstellen? Nö. Dann nahm er den Wasserschlauch und spritzte seine Frontscheibe ab, gab seiner Frau Anweisungen, wann sie wie den Scheibenwischer zu betätigen hatte. Inzwischen war es kurz nach sieben. Als er dann noch anfing, sein Auto komplett abzuspritzen und auch noch die Mauer nebenan, platzte mir echt der Kragen. Ich kletterte die Leiter runter und marschierte wutentbrannt rüber. Da stand er und überlegte, was er nur mit seinen Mülltüten machen sollte, seine Frau sammelte Klamotten im Womo ein und sie unterhielten sich, als wäre nichts. Ich hab ihm dann ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass ich das überhaupt nicht in Ordnung finde, da schaut er mich verständnislos an und seine Frau meinte: no capisko, aber sie verstand mich sehr wohl. Er klappte dann missmutig seine Tür zu, maulte vor sich hin und trollte sich dann. Achim hatte ich natürlich durch meinen plötzlichen Ausbruch auch aufgeweckt, die Nacht ist also vorbei, an schlafen nicht mehr zu denken. Ja, es gibt schon etliche Idioten unter den Campern!

Karin beruhigte sich langsam wieder. Als wir das Frühstück draussen decken wollten, sahen wir eine dunkle Gewitterwand auf uns zukommen. Also schnell Tisch und Stühle in den Bus geräumt und im Bus gefrühstückt. Wäre nicht notwendig gewessen, denn es bltzte und donnerte, aber es fiel kein Regen. Müll entsoregn Abwasser ablassen, die üblichen Vorbereitungen für die Abfahrt. Dann fuhren wir Richtung Tarent, aber das Navi führte uns ständig über kleinste Strässchen durch jede noch so kleine Ortschaft. An den Obstständen wurde ein Kilo weisse Trauben für 0,75 € angeboten. Irgendwann fing der Regen an, blieb aber mässig. Auf einem der kleinen Strässchen rannte ein Jogger ganz allein im Regen und weit und breit nichts als die Strasse durch einen Olivenhain. Wir fragten ihn, ob er mitfahren möchte. In breitestem Englisch sagte er “actually yes”. Er stieg ein und erzählte, dass er momentan bei einem Freund in einer Masseria wohnt, weil sein Freund gerade geheiratet hätte. Nach ein paar Kilometern wollte er wieder aussteigen – immer noch kein Haus zu sehen. In Tarent entschlossen wir uns, die “Autobahn” nach Matera zu nehmen. Nachdem wir die ganze bisherige Strecke durch Weinanbaugebiet und Olivenhaine gefahren waren, wechselte die Szenerie jetzt in riesige Zitrus- und Granatapfelplantagen – überall hingen rote Granatäpfel und unreife Orangen an den Bäumen. In den Ebenen lagen häufig Melonen auf den Feldern und warteten abgeholt zu werden. Auch die Landschaft wechselte beim Übergang von Apulien in die Basilikata. Irgendwann fiel uns auf, dass wir jetzt durch eine Hügellandschaft fuhren und der Bewuchs sehr spärlich wurde. Von Tarent nach Matera waren es nur 65 km und so kamen wir bereits um 13 Uhr an. Wir suchten gleich einen Stellplatz und fanden ihn in der Area Masseria Radogna im Parco Regionale della Murgia Materana. Nach einem Kaffee am Bus schwangen wir uns auf die Räder und fuhren im Park Richtung Stadt. Überrascht standen wir vor der Schlucht, die sich zwischen uns und der Stadt auftat. Von hier oben sah man den Wanderweg nach Matera. Erst in die Schlucht hinunter, über eine tibetanische Hängebrücke (linkes Bild links unten) und dann wieder den Berg hinauf in die Stadt.

Matera ist bekannt für seine Altstadt, die zu einem erheblichen Teil aus Felsenwohnungen – den Sassi – besteht. Matera, bereits seit der Jungsteinzeit besiedelt, gilt als eine der ältesten Städte der Welt. 1948 lebten hier in 3300 Räumen 15 000 Menschen. Mitte des 20. Jahrhunderts galt es als Kulturschande, dass in Italien Menschen immer noch in Höhlen ohne Strom und fließendes Wasser lebten. Als die Stadt von der Malaria heimgesucht wurde und die Sterberate der Neugeborenen immer weiter anstieg, wurden die Höhlen geräumt. Die Bewohner wurden bis in die späten 60er Jahre in höher gelegene Sozialwohnungen umgesiedelt, die Grotten verfielen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, dass dieser Ort einst zu einer weltberühmten Touristenattraktion wird. Erst Ende der 80er wurde Matera wiederentdeckt, die Höhlensiedlungen wurden 1993 schließlich Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Die Sassi wurden vollständig aus der Felswand herausgearbeitet. Das war möglich, da die Wand aus Tuffstein besteht, der recht leicht zu bearbeiten ist.

Direkt am Aussichtspunkt wuchs ein Safrankrokus im steinigen Untergrund.

Auf der Rückfahrt zur Masseria besichtigten wir noch die Felsenkirche Chiese san Falcione. Der Grundriss lässt darauf schließen, dass sich hier im 9. Jh. italo-griechische Mönche niederließen. Somit gehört die Kirche zu den ältesten im Bereich von Matera. Man betritt das Heiligtum durch einen Bogen und steht nun in einem Vorraum. Auf dem Pfeiler ist die Figur des Heiligen Nikolaus zu sehen. Im 19. Jh. wurde die Grotte als Schafstall genutzt. Durch die Absenkung des Bodens und einige Einbauten hat man die Fresken schwer beschädigt.

Auch auf dem Weg zur Landstrasse SS7 gab es eine der zahlreichen Felsenkirchen und Überreste von Felsenwohnungen. Karin sammelte leere Schneckenhäuser, die überall herumlagen und entdeckte dabei tolle Pflanzen.

Wieder zurück an der Masseria kochte Karin das Abendessen, während ich die Fotos auf das Notebook transferierte. Leider war die Festplatte voll und ich mußte einen Teil der Bilder auf Onedrive transferieren. Es dauerte mehrere Stunden und in dieser Zeit konnte ich den Rechner kaum benutzen. Abends fuhren wir nochmals zu dem Aussichtpunkt, um Bilder von Matera bei Nacht zu machen. Ein starker kalter Wind machte die Unternehmung sehr ungemütlich und wir waren froh, als wir wieder im WoMo sassen.

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