3. Oktober 2021 – Aigues-Mortes
Die Nacht war sehr unruig, starke Windböen pfiffen über den Camping. Nachts um 2 Uhr beschloss Karin ihren Schlafplatz im Aufstelldach aufzugeben. Sie hatte Sorge, dass das Dach zusammenklappt und sie unter dem Dach eingeklemmt wird. Wir klappten das Dach ein, sofort waren die Windgeräusche weitgehend verschwunden und schliefen nach einer Schlaftablette bis in den frühen Morgen. Morgens fährt unser Campingplatz-Nachbar sein Auto auf einen Anhänger. Er und seine Frau reisten mit dem Wohnmobil an und blieben 1 Monat stehn. Ihr Schäferhund Max und ihr Pudel Roxy waren völlig aufgeregt. Das französiche Ehepaar sprach sehr gut deutsch, denn es wohnte an der deutschen Grenze zum Saarland.
Wir fuhren am Meer entlang – in St Cyprien fand gerade ein Marathon statt. Das Wetter verschlechtete sich zunehmends und es ging ein starker Wind. Windsurfer und Kiter nutzten den Wind und brausten mit krassen Geschwindigkeiten auf dem Meer herum. Wir konnten nicht anhalten, denn alle Parkplätze sind mit einem Querbalken in 1,90 m Höhe versperrt. In Leucate zweigten wir ab und fuhren bis Montpellier die Autobahn. Die Strasse weiter nach Aigues-Mortes führte uns an einigen Seen (fr. etang) vorbei. In manchen dieser Seen konnten wir Flamingos beobachten.
In Aigues Mortes, wie in der gesamten Camargue, sind die Votivfeste mit Stierkampftraditionen verbunden, allerdings völlig unblutig. Hier werden die Stiere lediglich durch die Straßen geleitet und in einer Arena auf Zuschauer losgelassen, die ihren Mut beweisen wollen. Gegen Abend werden die Stiere wieder einzeln zurück auf die Weiden getrieben. Der Zufall wollte es, dass dieses Fest genau stattfand, als wir da waren. Erst wunderten uns, dass so viele Autos auf den Parkplätzen waren, dann war an der Seite der Stadtmauer eine Art Arena aufgebaut. In der Stadt waren sehr viele Leute unterwegs, alle Restaurants voll besetzt, eine Band spielte auf dem Platz in der Mitte des Dorfs und alle waren ziemlich ausgelassen – natürlich alle ohne Maske. Auf der anderen Seite war ausserhalb der Stadtmauer ein Jahrmarkt mit Karussell und Ständen. Komisch war nur, dass manche Strassen mit dicken Stahlgittern abgesperrt waren. Wir wollten schon weiterfahren, als ich im Bus über diese Votivfeste und das diesjährige Programm las. Also zurück zur Stadt – Karin ging nur unter Protest und gezwungenermaßen mit – und Plätze auf der Tribüne einnehmen – eine Chance bei einem Votivfest zuzuschauen bekommen wir so schnell nicht wieder. Noch eine Stunde Zeit bis zum Einlass der Stiere. Neben uns saßen französische Touristen, die ebenfalls keine Ahnung hatten, was da kommen wird. Aber glücklicherweise saß hinter ihnen eine begeisterte Frau, die die Show ausgiebig und voller Vorfreude beschrieb. Ich verstand das meiste ihrer Erzählungen. Zwischendurch fragte der Mann der Erzählenden, ob der Tourist vielleicht Internetzugang hätte und ihm das Resultat eines Fussballspiels sagen könnte. Er war wohl weniger enthusiastisch.
Musik erklang und dann wurde der erste Stier hereingelassen. Er schaute sich um und rannte los, erst blieb er in dem eingezäunten Rondell, dann fand er den Ausgang und rannte im Kreis herum und versuchte einen der Zuschauer zu erfassen. Seine Hörner waren stumpf gemacht, so dass sich eventuelle Verletzungen der Zuschauer in Grenzen halten sollten. Die Herausforderer – alles junge Männer – sprangen dann schnell über den Zaun oder Wände hoch, um sich in Sicherheit zu bringen. Manchmal klappte das nur in letzter Sekunde und ein Raunen ging durch die Menge. Man konnte regelrecht spüren, dass die Menge auf einen solchen Unfall wartete. Als der Stier müde wurde, liess man ihn zurück in den Stall und der nächste Stier kam. Der hatte wenig Lust herumzurennen. Er stand mehr herum, als dass er angriff und wartete letztlich vor der Tür, dass man ihn wiederrauslassen sollte. Der dritte Stier war wilder und rannte auf die Strohball los, die in der Mitte des Areals standen und auf dem ein paar Männer sassen. Er kam auch wirklich ganz hoch und warf die Menschen herunter. Verletzt wurde aber niemand. Dieser Stier sprang auch über den Zaun und so konnten die Zuschauer nicht mehr sicher sein, von wo der Stier kommen würde. Die Dame hinter uns jubelte begeistert – un sauteur.
Und? Soll ich jetzt meine Meinung zu dem ganzen Spektakel schreiben? Lieber nicht….. auf jeden Fall gab es danach im Bus lange Diskussionen über Männer an sich und im Speziellen und Imponiergehabe . Für mich stand auf jeden Fall fest, dass das die erste und letzte Veranstaltung dieser Art war.
Die ganze Zeit blies ein stürmischer Wind und am Himmel erschienen dunkle Wolken. Nach dem 3. Stier machten wir uns davon und fuhren über Nîmes auf die Autobahn Richtung Lyon. Nach etwa einer Stunde fing es heftig zu regnen an. Wir beschlossen daher die Fahrerei zu beenden und verliessen die Autobahn, um nach La Voulte-sur-Rhone auf einem Platz der CampingPark-Car.com zu übernachten. Von dieser Organisation, die Hunderte von Stellplätze in ganze Frankreich betreibt, hatten wir in Argelès für 5 € eine Guthabenkarte gekauft und die wollten ich jetzt nutzen. Wir mußten über eine enge alte Brücke über die Rhone und es regnete Hunde und Katzen. Ich zog Hose und Schuhe aus eine Regenjacke über. Am Eingang stand ein Automat, an dem ich unsere Karte an ein Lesegerät halten sollte. Aber die Schranke öffnete sich nicht und ich fand keine Möglichkeit, die 12 € Übernachtungsgebühr zu bezahlen. Triefend nass – inzwischen donnerte und blitzte es, eine Sirene fing an zu heulen – nach ein paar Minuten reichte es mir. Zurück im Auto putzten wir erst die Pfütze auf, die ich erzeugt hatte, dann suchte ich in der CamperContact-App nach einer anderen Möglichkeit. Zum Glück waren am nahen Intermarché Stellplätze zum Übernachten angegeben. Wir fuhren also wieder zurück über die Brücke und fanden einen sehr ruhigen Platz, an dem außer uns noch 2 WoMos standen. Wir hätten sogar auf einem überdachten Parkplatz stehen können ! Noch den Rest der Pizza als Abendessen gegessen und dann gingen wir bald ins Bett. Ach ja, zuvor installierte ich noch die App von CampingParCar, mit der ich die Gebühr bezahlen können hätte. In der Zukunft wissen wir das jetzt. Das Hochdach liessen wir vorsichtshalber zu.